Interview von Dan Kersch im Luxemburger Wort

"Stagnation heißt Rückschritt"

Interview: Luxemburger Wort (David Thinnes)

Luxemburger Wort: Dan Kersch, haben Sie noch die Zeit und die Disziplin, Sport auszuüben? 

Dan Kersch: Zeit habe ich, aber leider nicht genug Disziplin und vor allem Rückenprobleme, die mich vom Sport abhalten. Dennoch würde es mir und meinem Rücken sicherlich guttun, mich etwas zu bewegen. 

Luxemburger Wort: In einem RTL-Interview haben Sie vor einigen Wochen gesagt, ein Posten in der Regierung sei kein Wunschkonzert. Haben Sie sich das Sportministerium gewünscht? 

Dan Kersch: Ja. Als Regierungsmitglied weiß man, welche Posten frei werden. 
Man kann Ansprüche anmelden, was aber nicht heißt, dass diese dann Wirklichkeit werden. Ich mache nur Sachen, die ich mir auch zutraue und bei denen ich etwas bewegen kann. 

Luxemburger Wort: War früh klar, dass Romain Schneider auf den Posten des Sportministers verzichten würde? 

Dan Kersch: Romain Schneider hatte mir in einem Gespräch versichert, dass er sich vorstellen könnte, den Posten abzugeben, wenn das Sportministerium bei der LSAP bleibt. Voraussetzung war: Der Nachfolger muss sich für den Sport interessieren und muss wissen, wie es in einer Umkleidekabine riecht. 

Luxemburger Wort: In der Öffentlichkeit wird oft behauptet, das Amt des Sportministers sei ein lockerer Posten. Wie sehen Sie Ihre Rolle des Sportministers? 

Dan Kersch: Die schönen Seiten gibt es in allen Ministerien. Es wird aber viel Detailarbeit geleistet, auch hier im Sportministerium, das nicht immer zu den privilegiertesten gezählt hat. Der Sport benötigt mehr finanzielle Mittel. Es gab Zeiten, in denen der Sport als Anhängsel und nicht als Priorität angesehen wurde. Sport kostet, aber bringt der Gesellschaft trotzdem sehr viel. 
Dieser Wert ist aber nicht immer mit Zahlen zu belegen. Zum Beispiel ist die Verbindung mit dem Gesundheits- und Arbeitsbereich offensichtlich. Es gibt ein Umdenken. Ich will dazu beitragen, dass dieses Umdenken schneller vorangetrieben wird. 

Luxemburger Wort: Sie waren Bürgermeister von Monnerich und Syvicol-Präsident. Die Gemeinden spielen in der Bewegungserziehung der Kinder eine große Rolle. Welche Erfahrungen nehmen Sie mit ins Sportministerium? 

Dan Kersch: Als Bürgermeister war ich Mitinitiator eines Sportprojekts in einer Maison relais. Es ist eine Winwin-Situation. Wir konnten professionelle Trainer in den Maison relais einstellen und konnten auch die Vereine unterstützen. Da sind wir wieder bei der interministeriellen Zusammenarbeit. Claude Meisch (Bildungsminister, Anmerkung der Redaktion) ist der gleichen Meinung wie ich. Zusammen können wir viel bewegen. Das Ziel lautet: Die besten Trainer müssen bei der Jugend aktiv sein. 
Jeder Verein ist glücklich, einen guten Coach beim A-Team zu haben. Aber eigentlich sollte diese Person für das Training der Jugendlichen eingesetzt werden. 

Luxemburger Wort: Wäre es eine Möglichkeit, die LASEP (Ligue des associations sportives de l'enseignement fondamental), in der 7 000 Kinder aktiv sind, gratis anzubieten? 

Dan Kersch: Die Mitgliedschaft kostet nicht so viel (25 Euro pro Jahr, Anmerkung der Redaktion). Und wenn es Familien gibt, die dies nicht bezahlen können, findet man immer Lösungen. Aber warum soll man nicht über kostenlose Aktivitäten diskutieren? 

Luxemburger Wort: Im Regierungsabkommen wird erwähnt, dass das Projekt "Bewegte Schule" ausgebaut werden soll. Welches Ausmaß soll diese Erweiterung annehmen? 

Dan Kersch: Sport und Bewegungserziehung können eine größere Rolle in der Schule spielen als bislang. Hier muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die verschiedenen Pilotprojekte sollen ausgewertet und das Gute herausgefiltert werden.
Ich bin der Meinung, dass ein Projekt wie "Bewegte Schule" nicht auf das ganze Land erweitert werden kann: In Luxemburg-Stadt sieht die Schulsituation anders aus als in Clerf. Sport kann für jeden vieles einfacher machen, auch für den Lehrer. 

Luxemburger Wort: Ist das Ansehen des Sports in der Luxemburger Gesellschaft hoch genug? 

Dan Kersch: Nein. Der Sport gehörte in der nationalen Politik nicht zu den Prioritäten. Damit will ich weder Romain Schneider noch vorherigen Regierungen einen Vorwurf machen. Ich denke, dass nicht ausreichend bekannt war, welche positiven Auswirkungen der Sport haben kann, wenn dieser noch mehr Platz in der Gesellschaft einnimmt. 
Es ist eine Frage der Erkenntnis, die sich international schneller durchgesetzt hat als in Luxemburg. Wir haben Nachholbedarf. Island ist diesbezüglich ein gutes Beispiel, nicht nur im Fußball und Handball. Island hat in den vergangenen Jahren sehr spezifisch in den Spitzensport investiert. 

Luxemburger Wort: In Luxemburg wurde versucht, die Gelder gezielter zu verteilen. Wäre es eine Möglichkeit, die Finanzierung noch spezifischer auszulegen? 

Dan Kersch: Wenn ein Sportler wie Gilles Muller in der Weltspitze etabliert ist, benötigt er keine öffentliche Unterstützung mehr. Es stellt sich eher die Frage: Wie bekommen wir immer wieder einen Gilles Muller, wissend, dass wir Geld in Athleten investieren, die später nicht zu einem Gilles Muller werden. Diese Bereitschaft muss sich noch weiterentwickeln. Wir brauchen eine andere Talentsichtung. 

Luxemburger Wort: Einige Clubs waren von den hohen Summen überrascht, die über Qualité+ ausbezahlt werden. Lässt sich dieses Niveau an Finanzierung auch in Zukunft fortsetzen? 

Dan Kersch: Ich bin nicht überrascht, da ich einige Zeit beim HB Esch im Vorstand mitgeholfen habe. Ich weiß, wie viele Stunden in einen Club investiert werden. Es wäre nicht möglich, diese Kinderbetreuung, die von freiwilligen Helfern ausgeführt wird, komplett zu bezahlen. Ich kann den Vergleich mit der Reform im Rettungswesen ziehen. 
Solche Wege muss man auch im Sport gehen. Mir ist durchaus bewusst, dass dies Geld kostet. Es ist auch eine Frage des politischen Mutes. In meinen Augen heißt Stagnation Rückschritt. 

Luxemburger Wort: Sie haben sicherlich einen anderen Charakter als ihr Vorgänger. Wie wollen Sie dieses Amt angehen? 

Dan Kersch: Der Charakter ist einer der Gründe, warum Romain Schneider nach zehn Jahren entschieden hat, dass eine andere Person diesen Posten übernehmen soll. Unabhängig von unseren Charakteren kann ich auf eine Arbeitsweise aufbauen. An anderen Stellen hat sich erwiesen, dass diese nicht anders ist, als die von Romain Schneider: Ich suche das direkte Gespräch und ich werde zuhören.
Dann treffe ich Entscheidungen. 
Ich habe konkrete Vorstellungen und versuche diese mit allen Partnern zu erreichen. 

Luxemburger Wort: Im Regierungsabkommen wird auch ein Sportmuseum in Aussicht gestellt. Schwebt Ihnen diesbezüglich bereits ein Standort vor? 

Dan Kersch: Es gibt noch keinen Standort. 
Ich habe ein Gespräch mit dem Escher Bürgermeister Georges Mischo geführt, dessen Gemeinde bekanntlich ein ähnliches Projekt ausführen will. Wir wollen kurzfristig eine Entscheidung treffen. 
Es gibt für mich nichts Peinlicheres in diesem Land als Standortdiskussionen.

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