"Ordentliche Sportpolitik braucht finanziellen Spielraum"

Interview: Luxemburger Wort (Joe Geimer)

Luxemburger Wort: Georges Engel, brennt Ihre Leidenschaft für den Sport weiterhin?

Georges Engel: Ja, und zwar noch mehr als vor zwei Jahren. Ich habe nämlich in größerem Umfang erkannt, was der Sport kann. Das Potenzial ist enorm. Wir haben ein Programm aufgestellt, das nicht am Tag der Parlamentswahlen endet. Es geht um Kontinuität und Progression und darum, den Sport noch fester in der Gesellschaft zu verankern. Diese Sicht der Dinge sollte fortgesetzt werden.

Luxemburger Wort: Würden Sie das Amt des Sportministers nach dem 8. Oktober gerne noch ausüben?

Georges Engel: Sollte sich diese Chance ergeben, würde ich ohne mit der Wimper zu zucken zusagen. Sport ist meine Leidenschaft. Ich wäre froh, mich weiterhin in ihren Dienst zu stellen.

Luxemburger Wort: Haben Sie den Eindruck, bislang einen guten Job gemacht zu haben?

Georges Engel: Ich habe zumindest stets versucht, dem Sport als Ganzem zu dienen und zu helfen, sei das durch schnelles Entgegenkommen oder beispielsweise durch die Erhöhung der finanziellen Unterstützung. Mir ist es zudem wichtig, die Arbeit in den Verbänden und Vereinen wertzuschätzen. Denn ich finde, dass alle dort einen bewundernswerten Beitrag leisten. Viele machen das auf freiwilliger Basis. Davor ziehe ich meinen Hut. Ich mache das nicht aus politischem Kalkül, sondern mit einem ehrlichen Respekt. Ich hoffe, dass das so herüberkommt. Zudem ist hoffentlich zu spüren, dass ich mit allen Akteuren proaktiv arbeiten möchte, damit wir den Sport voranbringen.

Luxemburger Wort: Mit Ihrem Vorgänger Dan Kersch und vor allem dem ersten Regierungsrat Laurent Deville haderten einige Verbände in Bereichen wie der Kommunikation...

Georges Engel: Jeder Mensch ist anders. Ich bin nicht Dan Kersch. Wir haben intern im Ministerium ein paar Anpassungen vorgenommen, die dazu beigetragen haben, dass der Umgang miteinander ein anderer geworden ist. Wir funktionieren jetzt so, wie ich mir das vorstelle. Ich bin stolz auf mein Team und meine Mitarbeiter. Die Kollaboration mit dem Nationalen Olympischen Komitee und anderen Verbänden und Partnern läuft nahezu reibungslos. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg.

Luxemburger Wort: Die Corona-Pandemie legte das Sportgeschehen lange lahm. Wie sehr hat der Sport in Luxemburg unter der Pandemie gelitten?

Georges Engel: Es war eine sehr schwierige Zeit für den Sport, in der Dan Kersch eine sehr gute Arbeit gemacht hat. Er hat immer versucht, das Sporttreiben im Rahmen des Machbaren zu erlauben. Das war wegen all der Restriktionen und Auflagen, die man respektieren musste, nicht einfach. Er wurde ins kalte Wasser geworfen, musste Lösungen finden und konnte sich nicht auf Erfahrungswerte verlassen. Der Sport hat dennoch unter der Pandemie gelitten. Die allgemeine Bewegung hat gelitten. Diesen Rückstand müssen wir wieder aufholen, gerade in der Schule und bei den Kindern. Zusammen mit dem Unterrichtsministerium sind wir gefordert. Ich will es ganz klar betonen: Es droht eine gesellschaftliche Katastrophe, wenn die Menschen sich nicht mehr bewegen.

Luxemburger Wort: Hat der Sport innerhalb der Regierung und unter allen Abgeordneten den richtigen Stellenwert?

Georges Engel: Wir haben vor der Sommerpause mit dem Congé sportif, dem nächsten Fünfjahresplan und dem Velodrom drei Gesetzesprojekte auf den Instanzenweg geschickt - und zwar einstimmig. Das ist nicht alltäglich. Und das sagt mir, dass es ein Bekenntnis zum Sport in der Chamber gibt. Ich stelle fest, dass anerkannt wird, dass Sport mehr ist als die Elitesportler und die Topvereine. Natürlich braucht man die. Aber Sport ist gesellschaftlich viel tiefer verankert. Dieses Bewusstsein spüre ich bei allen Parteien.

Luxemburger Wort: Im Moment kommen dem Sport 0,21 Prozent des Staatsbudgets zugute (2018 waren es schon mal 0,39 Prozent). Reicht das?

Georges Engel: Nein, ich wünsche mir mehr Geld. Die nächste Regierung muss sich dazu durchringen, dem Sport mehr Möglichkeiten zu geben. Wir können den Sport nicht so abhandeln wie bislang. Natürlich kann man sagen, dass die Sportinfrastrukturen im Fünfjahresplan ja auch Gelder sind. Okay, aber um ordentliche Sportpolitik zu machen, brauchen wir finanziellen Spielraum. Wir müssen eine budgetäre Anstrengung machen.

Luxemburger Wort: Mehr Sportler und Freiwillige können vom reformierten Congé sportif profitieren. Freut Sie das?

Georges Engel: Im Prinzip hat niemand durch die Reform weniger Congé zugute. Das ist wichtig. Durch die zwei, vier oder sechs Tage Sporturlaub retten wir ganz sicher nicht das Freiwilligenamt vor dem Knockout. Aber es ist eine Wertschätzung. Und es hilft den Vereinen und Sportlern ganz sicher. Solche Maßnahmen sind gut investierte Kosten.

Luxemburger Wort: Leider läuft die Reform erst am 1. Januar 2024 an. Warum eigentlich?

Georges Engel: Weil es keine Vorarbeiten gab, war es nicht eher machbar. Es ist ein komplexes Dossier mit derart vielen Konstellationen, die man alle auf dem Schirm haben muss. Es handelt sich um ein informatisches Problem, weil wir das nötige Programm einfach nicht besitzen. Aber es geht auch um die Schulung der Mitarbeiter im Ministerium. Die müssen das Gesetz umsetzen und die Einzelfälle verwalten können.

Luxemburger Wort: Die ENEPS (Ecole nationale de l'éducation physique et des sports) wurde in ein Institut (INEPS) umgewandelt. Wieso?

Georges Engel: Wenn wir möchten, dass die Trainer und Freiwilligen besser formiert und ausgebildet werden, müssen wir uns auch die dementsprechenden Mittel geben. Die Professionalisierung im Sport muss vorangetrieben werden. In dieser Optik ist ein solches Institut extrem wichtig. Es müssen Leute eingestellt werden, welche die Fortbildungen geben können. Es handelt sich um ein Kompetenzzentrum für den Sport. Man erhält Diplome, die etwas wert sind. Das alles verleiht uns einen wesentlich strukturierteren Rahmen, den man auch international geltend machen kann. Es wurden schon Mitarbeiter eingestellt und es werden weitere hinzukommen.

Luxemburger Wort: Was hat es mit dem Projekt Pro Sport auf sich?

Georges Engel: Aktuell ist dieser Name nur ein Arbeitstitel. Konkret geht es darum, den Vereinen gegen Bezahlung professionelle Trainer zur Verfügung zu stellen. Es geht um die Trainer, die sie nicht haben, die sie aber benötigen, um alle ihre Mannschaften zu betreuen. Das kann nur kurzzeitig sein oder über einen längeren Zeitraum. Das Konzept gibt es bereits im Badminton. Der Verband hat sich professionelle Trainer geholt, die er bezahlt. Und die Vereine können gegen Bezahlung davon Gebrauch machen. Das funktioniert im Badminton sehr gut. Ihre Mitgliederzahlen sind zuletzt stark angestiegen. Im Judo gibt es das Konzept teilweise. Wir wollen es landesweit ausbauen. Damit das möglich ist, brauchen wir Leute, die gut ausgebildet sind. Da sind wir dann wieder bei der INEPS. Seit dieser Rentrée gibt es im LTPES (Lycée technique pour professions éducatives et sociales) die Möglichkeit, parallel zum Abschluss als Erzieher ein Diplom als staatlich geprüfter Trainer und Betreuer zu erlangen. Das kann eine Hilfe für die Vereine und Verbände sein, wohl wissend, dass es ohne das klassische Benevolat nicht funktioniert. Es müssen eben viele Rädchen ineinander greifen.

Luxemburger Wort: Sie hatten vor knapp sechs Monaten davon gesprochen, das Subside qualité+ auszubauen...

Georges Engel: Da muss passieren. Wenn wir gerne hätten, dass die Vereine professionelle Trainer beschäftigen, müssen wir ihnen auch die Möglichkeit geben, irgendwo Gelder zu erhalten. Das Subside qualité+ ist eine wichtige Piste. Es wird derzeit an einer Verbesserung im Sinne der Vereine gearbeitet. Leider konnten wir die Arbeiten noch nicht abschließen. Es soll aber zu einer substanziellen Verbesserung der finanziellen Unterstützung kommen, weil weitere Dienste bezuschusst werden, die ein Verein einer Gemeinde bringt. Es geht da um Inklusion, Integration und soziale Werte. Das ist gelebte Qualität.

Luxemburger Wort: Freut es Sie, dass das Velodrom nun endlich in Mondorf gebaut wird?

Georges Engel: Es war einfach an der Zeit. Das Velodrom hat viele Väter. Da will ich mich nicht in den Vordergrund drängen. Aber einen Verdienst habe ich: Ich habe das Gesetz deponiert und es wurde gestimmt. Die Bauzeit soll vier bis fünf Jahre betragen. Ich kann das Velodrom dann vielleicht sogar einweihen (lacht).

Luxemburger Wort: Apropos Radsport: Wie sieht es aus mit dem Besuch der Tour de France in Luxemburg in naher Zukunft?

Georges Engel: Ich habe am vorletzten Tag der diesjährigen Tour de France mit Christian Prudhomme gesprochen. Ich hake regelmäßig nach. Er hat mir versichert, dass meine Anfrage oben auf dem Haufen der Bewerbungen liegen würde. Er sagte aber auch, dass erst einmal festgelegt werden müsse, wo die Tour de France in den Jahren 2027 und 2028 starten werde. Das verstehe ich. Ich bleibe aber am Ball. Ich wäre stolz, wenn die Frankreich-Rundfahrt zurück ins Großherzogtum kommen würde.

Luxemburger Wort: Warum lässt die zivile Karriere für Elitesportler weiterhin auf sich warten?

Georges Engel: Das Dossier habe ich unterschätzt. Es besteht das Risiko, die gut funktionierende Sportsektion der Armee kaputtzumachen, wenn man auf der anderen Seite etwas implementiert, das attraktiver und weniger zwingend ist. Man schafft dann eine unnötige Konkurrenz. Die zivile Karriere, so wie ich sie mir vorstellte, hätte die Elitesportsektion infrage gestellt. Das wollte ich nicht. Deswegen wurde dieses Projekt jetzt erst einmal zur Seite gelegt. Das bedeutet aber nicht, dass es die zivile Karriere nie geben wird. Ich habe ein paar Ideen. Die perfekte Lösung gibt es aber noch nicht.

Luxemburger Wort: Wie sieht es mit der Sportfabrik in Differdingen aus, die wegen einer Überschwemmung stark in Mitleidenschaft gezogen wurde?

Georges Engel: Das ist eine Katastrophe und umso tragischer, weil sich in der vorolympischen Zeit unsere Athleten, aber auch Sportler aus dem Ausland, dort vorbereiten wollten. Es handelt sich bei der Sportfabrik um ein Top-Zentrum in Europa. Im Moment läuft da gar nichts. Der Boden und die ganze Elektronik standen unter Wasser. Es geht darum, das Material so schnell wie möglich ersetzt zu bekommen. Es ist natürlich auch eine Versicherungsfrage. Die Gemeinde Differdingen hat uns Alternativen angeboten, damit in anderen ungenutzten Räumen zumindest in eingeschränkter Form geschuftet werden kann. Daran arbeiten wir derzeit.

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